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Johann Gottfried Schadow. Berührende Formen.

Johann Gottfried Schadow. Berührende Formen,
Ausstellungsansicht, Alte Nationalgalerie, 2022 (c)
Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin (c) Thomas Bruns

Bis in die Anfänge des nächsten Jahres reichen sich zwei große Protagonisten der Bildhauerkunst in Berlin die Hand.  Beide Künstler waren in ihren Werken eng von den Vorbildern der griechisch-römischen Antike beeinflusst, erweiterten jedoch diese Ideen mit ihren eigenen Vorstellungen. Zieren unvergängliche Skulpturen, Reliefs oder Spiritellos  von Donatello (1386 – 1466) die Gemäldegalerie im Kulturforum Berlins, gesellt sich jetzt der knapp 400 Jahre später geborene Gottfried Schadow (1764 – 1850) in der Alten Nationalgalerie dazu. Beide Künstler charakterisierten mit ihren Werken, kunsttheoretischen Arbeiten, der Größe ihrer Werkstätten und ihrer Außenwirkung schon zu Lebzeiten die vorherrschende Stilrichtung in der bildenden Kunst wie kaum ein anderer, Donatello die Renaissance, Schadow den Klassizismus.

 

Johann Gottfried Schadow,
Selbstbildnis, um 1791,
Terrakotta, 41 x 22 x 23 cm,
© Staatliche Museen zu Berlin, Alte Nationalgalerie /
Andres Kilger 

 

Die Mutter Schadows hatte schon frühzeitig das kreative Talent ihres ältesten Sohnes erkannt. Giovanni Battista Selvino, ein Bildhauer in der Werkstatt des Hofbildhauers Friedrich II., Jean-Pierre- Antoine Tassaert (1727 – 1788), konnte die Rechnungen bei Schadows Vater, einem Schneidermeister, nicht bezahlen und nahm dafür den Sohn in seine Lehre zum Zeichnen.

Bald gehörte Schadow, ehrgeizig und zielstrebig wie er war, zur Bildhauergilde Tassaerts.

Im Salon der Madame Hertz lernte er seine spätere Frau, die Wienerin Mariane Devidels (1758 – 1815) kennen. Sie stammte aus einem begüterten Hause, so dass Schadow`s schon lange gehegter Wunsch, Italien, Rom zu besuchen 1785 Wirklichkeit werden konnte. Über Dresden, hier weilten sie bei Anton Graff, Wien, Venedig und Florenz erreichte das Paar Rom. Noch zeichnete und radierte er vornehmlich die vielen Eindrücke, die ihm diese Stadt bot. Besonders die antike Skulpturensammlung der Vatikanischen Museen und die Villa Albani, wo einst Winckelmann gelebt hatte, hatten es ihm angetan. Und er begann vor Ort zu modellieren und beschloß, ein Bildhauer zu werden. Entgegen aller Ratschläge seiner Künstlerfreunde bewarb er sich mit einer Arbeit an der Accademia di San Luca. Hinter dem zu dieser Zeit schon berühmten Antonio Canova (1757 – 1822) belegte er den 2. Platz. Das war ein Triumph, der nach Rückkehr in die Heimat 1787 zählte!

Ab 1788, schon mit 24 Jahren, bekleidete er das Amt des „Direktors aller Skulpturen“ am Oberhofbauamt und er war Leiter der preußischen Hofbildhauerwerkstatt – das klassizistische Erscheinungsbild Berlins lag in seinen Händen.

 

Johann Gottfried Schadow,
Grabmal des Grafen Alexander von der Mark
,
1788–1790, Marmor,
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie /
Andres Kilger 

 

Eine seiner ersten Arbeiten war das „Grabmahl des Grafen Alexander von Mark“ (illegitimer Sohn des Königs Friedrich Wilhelms II. von Preußen mit der Gräfin Wilhelmine von Lichtenau). Sein Vorgänger Antoine Tassaert hatte vor seinem Tod schon ein Modell für das Grabmahl des 8jährigen Verstorbenen entworfen, aber das gefiel Schadow nicht, es war zu düster. Vor allem der Jüngling musste froher dargestellt sein, „als ob er träume“. 

Viele Aufträge kamen, die Reliefs im Säulensaal des Berliner Schlosses, der Entwurf für die Quadriga auf dem Brandenburger Tor, die Skulpturen von Mars und Minerva in den Torhäusern des Tores, Reiterdenkmale u.a. für den Reitergeneral von Zieten, Büsten, Grabsteine, Zeichnungen und Radierungen, … und immer wieder Entwürfe für ein Reiterbild für Friedrich II., leider umsonst!
Ab 1797 herrschte Friedrich Wilhelm III. (1770 – 1840) in dessen Gunst Gottfried Schadow leider nicht stand. Beide wußten voneinander, dass sie Hofhaltung, Adelsprivilegien, aufkommende bürgerliche Ideen sehr konträr bewerteten.  

Andere beurteilten es anders als der König.

Begeistert berichtete der Kunsttheoretiker Conrad Fiedler (1841 – 1895) dem Bildhauer Adolf von Hildebrand 1847 – 1921):

»Das Beste, was ich in der Berliner Ausstellung gesehen habe, waren die Sachen vom alten Schadow. Darunter eine lebensgroße Marmorportraitgruppe, die Königin Luise und ihre Schwester als Kinder, wirklich famos!« 

 

Diese „Marmorportraitgruppe“ steht auch im Mittelpunkt der aktuellen Berliner Ausstellung. Die dargestellte Prinzessin Luise von Mecklenburg-Strelitz, ab 1793 Gattin des Kronprinzen Friedrich Wilhelm und ihre Schwester ab 1793 Gattin des Prinzen Louis von Preußen, durften erstmalig 1795 im Kronprinzenpalais, Unter den Linden in Berlin, von Gottfried Schadow in Ton porträtiert werden.
Der Auftrag war von Friedrich Wilhelm II. erteilt worden. Die beiden Prinzessinnen („himmlische Erscheinungen“ – so Goethe!) hatten ihn vom ersten Augenblick an bezaubert. 

Luise von Mecklenburg-Strelitz   –  1776 – 1810
Friederike von Mecklenburg-Strelitz  –  1778 – 1841

 

Johann Gottfried Schadow,
Doppelstandbild der Prinzessinnen Luise und Friederike von Preußen (Details)
,
1795 (Marmor 1796/97), Marmor,
‚Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie /
Andres Kilger 

„Weibliche Büsten sind eine der schwersten Aufgaben in der Kunst; diese zu lösen, habe ich mir immer unglaubliche Mühe gegeben. Aehnlichkeit mit Anmut zu vereinigen, in einen Moment den Reiz zusammen zu fassen, der im Leben durch das beseelte Bewegte, Mannigfaltige unendlich vieler Momente liegt, erfordert ein zartes Kunstgefühl, und einen, möchte ich fast sagen, an List grenzenden Beobachtungsgeist. “
Gottfried Schadow in Keienburg/Lindner "Wo Götter wohnen", Verlag der Nation, 1977, S. 180

Parallel zu den Büsten fertigte Schadow bereits eine Doppelstatue in Gips in Lebensgrösse an. Gipsabgüsse der beiden Tonbüsten wurden eingearbeitet. Die Bewunderung und der Zuspruch anläßlich einer Kunstakademieausstellung waren groß. Die Erlaubnis, die Portraitgruppe in Marmor auszuführen, erfolgte. 

Es ging Gottfried Schadow weniger darum, der Nachwelt die Schönheit zweier Prinzessinnen zu erhalten, sondern viel mehr darum schwesterliche Zuneigung und Liebe zu verewigen. Alle Eindrücke, die die miteinander verschränkten Frauenkörper in ihren Gebärden vermitteln, Ungezwungenheit, Zartheit, Innigkeit und Haltung, unterstützen bei aller äußeren Ruhe die fühlbare innere Bewegung. Diese nach außen dargestellte Seelenverwandschaft und Freundschaft veranschaulicht eine im 19.Jahrhundert auch in Deutschland vorherrschende Epoche der Empfindsamkeit, die den Mensch mit seinen echten Gefühlen in den Mittelpunkt stellt. 

Der neue König Friedrich Wilhelm III. achtete die Skulptur nicht, im Gegenteil, er mißbilligte die naturgetreue Darstellung seiner Frau zutiefst. Schadow schreibt:

„Der König Friedrich Wilhelm II. starb, ehe diese Arbeit fertig war. Nachher hat sie ein paar Jahre in einer Kiste gelegen und es bekümmerte sich niemand darum. … Diese Gruppe hatte durch den Schmutz der Mäuse, die in der Kiste genistet hatten, viel gelitten, und der Marmor hat hässliche Flecke behalten. “
Gottfried Schadow in Keienburg/Lindner "Wo Götter wohnen", Verlag der Nation, 1977, S. 183

 

 

Schadow`s wichtigstes Werk, eines der schönsten Beispiele des deutschen Klassizismus, musste auf seine Würdigung warten bis der Direktor der Nationalgalerie Hugo von Tschudi es 1906 in der Jahrhundertausstellung deutscher Kunst präsentierte. Die Begeisterung war groß und hält unvermindert an. Nach umfangreicher Restaurierung wird in der aktuellen Ausstellung erstmals überhaupt das Originalgipsmodell  von 1795 der Prinzessinnengruppe gemeinsam mit dem Marmorstandbild (1797) ausgestellt. (siehe Galerie oben).

Postkarte Nr. 8 aus der Serie der Deutschen Jahrhundertausstellung 1906:
Eingang in die Cornelius-Säle mit der Prinzessinnengruppe von Johann Gottfried Schadow,
National Library of Norway

Nach 1800 blieb Gottfried Schadow in all seinen Ämtern bestätigt, größere Aufgaben wurden allerdings rarer. Ein Blücherdenkmal für Rostock (1815) und ein Lutherdenkmal für Wittenberg zum 300. Jahrestag der Reformation 1817 ragen neben vielen kleineren Arbeiten und theoretischen Texten zur Proportion des menschlichen Körpers heraus. Bei größeren Aufträgen übersah man ihn jetzt gern.

Er äusserte darüber öffentlich seine Enttäuschung, verbittert war er aber nicht. Überzeugt von seinen Leistungen, seinem Können, seiner umfangreichen Schülerschaft behielt er sich eine oft kundtgetane allseits bekannte und gefürchtete Meinung vor. 

 

Johann Gottfried Schadow,
Satyr
, um 1800, Terrakotta,
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie /
Andres Kilger 

Alte Nationalgalerie
Bodestraße
10178 Berlin

Johann Gottfried Schadow
Berührende Formen
21.10.2022 bis 19.02.2023

Öffnungszeiten
täglich 10 – 18 Uhr
montags geschlossen

Informationen zu Führungen, Vorträgen und Sonderangeboten für Jugendliche und Kinder
unter: https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/alte-nationalgalerie/ausstellungen/detail/johann-gottfried-schadow/