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Gustav Klimt – Ausstellung anlässlich des 100. Todestages

Es sollte nahezu die Pflicht eines jeden Kunstliebhabers sein, in diesen Tagen die Stadt Halle an der Saale zu besuchen. Schon die liebevoll renovierte Altstadt, viele historische Bauten, Kunsttempel und die mitschwingende Autorität eines Georg Friedrich Händels werden begeistern. Im Moment ist es aber die sensationelle Ausstellung zum 100. Todestag von Gustav Klimt (1862 – 1918), die jeden Bildernarr in diese Stadt zwingt – übrigens die einzige in Europa außerhalb Österreichs.

Gustav Klimt – ein großer, gut aussehender, imposanter Mann, der mit seiner Lebensweise und seinen Bildern Wien um die Jahrhundertwende (1900) in Atem hielt, sah in seiner Malkunst die einzige Möglichkeit, seinen Gefühlen, Spannungen und Phantasien Ausdruck zu geben.

Er liebte die Frauen und die Natur. Der Anblick einer schönen Frau übermannte ihn so, dass nur Papier und Stift, Pinsel und Farbe ihm halfen, seine überwältigenden Gefühle zum Ausdruck zu bringen. So entstanden hunderte Skizzen verschiedenster Posen, verschiedenster Frauen, die letztlich in die Gemälde mündeten, die wir zeitlos bewundern. Er wollte malen, nichts als malen, Diskussionen ermatteten ihn, große Gesellschaften waren langweilig. In seinem Atelier tummelten sich nicht nur unzählige Katzen, sondern auch leicht bekleidete oder nackte Mädchen, die stundenlang in anstrengenden Stellungen verharren mussten, in denen er Partien des Körpers wieder und wieder bis zur Perfektion auf das Papier brachte.

Klimt liebte die Frauen, nicht nur auf dem Papier, zahlreiche Kinder waren das andere Ergebnis. Dafür und die freizügige Darstellung des weiblichen Körpers brachten ihm zunehmend Kritik unter den alteingesessenen Mitgliedern der Kunstakademie ein. Während er in Paris bejubelt wurde, lehnte man in Wien seine Bilder ab. Es wurde einsam um ihn.

Es ist eine Sensation, dass das Kunstmuseum Moritzburg in Halle eine derartig umfassende Ausstellung von 10 Gemälden und mehr als 60 Zeichnungen zum Schaffen Gustav Klimts von seinen Anfängen bis in das Todesjahr 1918 ermöglichen konnte. Es gab eine Reihe helfender Hände, der Hauptdank jedoch gebührt dem Museum und seinen Mitarbeitern, allen voran dem Kurator Herrn Wolfgang Büche. Sicher inspirierte das seit 1979 im Besitz des Hallenser Museums befindliche Gemälde »Marie Henneberg« die Verantwortlichen zu diesem schwierigen Vorhaben, das letzte Bild (Schloss Kammer am Attersee) traf nur 3 Tage vor Eröffnung der Ausstellung aus Prag ein.

Gustav Klimt
Marie Henneberg, 1901/02
Öl auf Leinwand, 140,0 x 140,0 cm
Bez.u.r. GUSTAV KLIMT
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt,
Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)
Foto: Punctum/Bertram Kober

Schaut man in das ernste, dominant wirkende Gesicht Marie Hennebergs, das Interesse aber auch Distanz vermittelt, wahrt man Abstand von diesem Bild. Man spürt die Wallung des Tüllkleides, erfreut sich an dem schmückenden Veilchensträußchen über der Brust und erkennt den im Dunkel gehaltenen, pointilistisch wirkenden Hintergrund mit dem nur angedeuteten Sessel, der Klimts ganze Kunst in der feinfühligen Darstellung der Wiener Damenwelt offenbart. Selbst nach 115 Jahren glitzern einem Ohrringe und Halsschmuck entgegen.

Hennebergs waren mit Gustav Klimt befreundet. Hugo Henneberg, Grafiker und Kunstfotograf, bewohnte mit seiner Frau eine Villa auf der berühmten Wiener Hohenwarte (Josef Hoffmann – Architekt und Designer). Kunstfotografien Hennebergs dieser damals hochmodernen Siedlung und ihres Interieurs ergänzen u.a. die Ausstellung.

Gustav Klimt
Eugenia Primavesi, 1913/14
Öl auf Leinwand, 140,0 x 85,0 cm
Japan, Toyota Municipal Museum of Art
Foto: ©2017. Photo Austrian Archives/Scala Florence

Gustav Klimt porträtierte nicht jede Frau. Zumeist kamen sie aus vermögenden, der Kunst zugewandten jüdischen Familien, die oft zu den Mäzenen Klimts gehörten. Man lese bei Stephan Zweig »Die Welt von gestern«: „… neun Zehntel von dem, was die Welt als Wiener Kultur des neunzehnten Jahrhunderts feierte, war eine vom Wiener Judentum geförderte, genährte oder sogar schon selbst geschaffene Kultur.“

Die Schauspielerin und Kunstmäzenin Eugenia Primavesi, verheiratet mit dem Bankier, Industriellen und Vorstand der Wiener Kunstwerkstätten wurde von Klimt 1913/14 porträtiert. Zahlreiche Vorstudien in der Ausstellung belegen Klimts Gründlichkeit, aber auch den Zeitaufwand für ein solches Werk. Farben, Farben, Farben – oft brauchte er Tage, um das in seinen Sinnen erdachte »Rot« oder »Blau« zu finden. Warme, kräftige, freundliche Töne belegen seine Sympathie für diese Frau (Klimt schuf für die Familie Primavesi Tapetengemälde für die Villa Primavesi in Olomouc). Große, freundliche Augen, ein leicht gespitzter, kurz vor einem Lächeln befindlicher roter Mund, kräftige Wangen, beringte Hände, Blumenblüten wohin man schaut betrachten den Besucher, Farben, Farben, Farben.

Das Gemälde »Amalie Zuckerkandl« beschließt den Gemäldereigen. Sie war die Frau des Urologen und Chirurgen Otto Zuckerkandl. Dessen Schwester Berta Zuckerkandl, Schriftstellerin, Journalistin und Kritikerin war eine Freundin Gustav Klimts,  die ihn in schweren Zeiten, vor allem nach der Ablehnung der sogenannten »Fakultätsbilder« durch die Wiener akademischen Kreise vehement verteidigte. Durch sie wurde der Auftrag, Amalie zu porträtieren, vermittelt. Das Bild wurde allerdings nie fertig: Gustav Klimt starb 1918. Das Gemälde gehört heute dem Belvedere in Wien, hat aber nach Scheidung der Zuckerkandls und der Wirrnisse durch die Nazi-Herrschaft ein bewegtes Leben hinter sich. Amalie Zuckerkandl wurde 1942 im Vernichtungslager Belzec umgebracht.

Gustav Klimt
Eugenia Primavesi, 1913/14
Öl auf Leinwand, 140,0 x 85,0 cm
Japan, Toyota Municipal Museum of Art
Foto: ©2017. Photo Austrian Archives/Scala Florence

Interessanterweise zeigt die Ausstellung auch ein Werk, in dem sich Klimt mit Visionen auseinandersetzte. Thema sind irrlichternde Gestalten. Vorstudien zeigen den Weg zum Gemälde »Irrlicht, auf dem sich Aktfiguren mit auffälligen Frisuren auf dem rechten Bildrand nach oben drehen. Schon auf den Vorstudien zeigt Klimt, wohin er mit wenigen Linien und Strichen will.

Gustav Klimt
Frauenkopf mit geschlossenen Augen nach rechts, 1911/12
Bleistift, 55,9 x 36,5 cm
Privatsammlung
Foto: Privatsammlung

Viele der vorhandenen Skizzen, Studien belegen diesen Weg, auf denen er wunderbar die Schönheit und natürliche Erotik des weiblichen Körpers zeigt. Mit geometrischer Genauigkeit überträgt er durch Aufbringen eines Gitternetzes Proportionen, Stellungen und Kompositionen auf ein späteres Gemälde.

Die Ausstellung ist eine Freude von A bis Z. Man möchte gar nicht wieder gehen. Die farbliche Abstimmung der Räume, die Bilder, die Fotografien rund um die Bilder, um Klimt, Henneberg, Hoffmann … oder die an jeder Ecke des Westteiles des Museums angebrachten Friese im Jugendstil versetzen einen in das Wien um 1908.

Parallel zur Ausstellung zeigen Studenten der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Ideen für Körperhüllen, haben Muster und Ornamente kreiert, oder entwarfen textile Sortimente – alles nach Studien und Motiven von Gustav Klimt.

14.10.2018 – 06.01.2019

Kulturstiftung Sachsen-Anhalt
Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)

Friedemann-Bach-Platz 5 / 06108 Halle (Saale)

Di, Di, Do-So / Feiertage 10 bis 18:00 Uhr
Mi / 24. & 31.12. geschlossen
Mi 02.01.2019 geöffnet

Es finden Führungen, Vorträge , Workshops, Lesungen, Konzerte  und Familienveranstaltungen statt.

Information über kunstmuseum-moritzburg@kulturstiftung-st.de, auf der Website des Museums oder der Klimt2018-Website.

Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog mit 189 farbigen und s/w-Abb.
Gustav KLIMT & Hugo Henneberg.  Zwei Künstler der Wiener Secession
Verlag: Wienand-Kunstbuchverlag, Köln
Hardcover, gebunden Preis 24,90 €