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Dürer für Berlin. Eine Spurensuche im Kupferstichkabinett

 

 

Albrecht Dürer,
Die Drahtziehmühle,
1489 – 1494,
Aquarell,
© Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett /
Jörg P. Anders

Wie oft denken wir an den Maler und Grafiker Albrecht Dürer? 

Ich denke, nicht allzu oft und selbst die Kinder der häufig in Deutschland mit seinem Namen „Albrecht-Dürer“ benannten Schulen werden sich nur nach Aufforderung mit ihm beschäftigen. Dabei gehören Bilder wie der „Feldhase“, sein „Selbstbildnis im Pelzrock“ oder „Das große Rasenstück“ zu unserem unwillkürlichen, freien Bewusstsein. Mit „Dürer für Berlin. Eine Spurensuche im Kupferstichkabinett“ erinnert das Museum an diesen grandiosen Künstler. 

 

 

Albrecht Dürer
Kaiser Maximilian I.
um 1519
© Staatliche Museen zu Berlin/
Foto: Michael Neubauer

 

Nicht nur gedenkend, sondern mit modernem Blick erkennen wir die Frische, das Aktuelle und technisch Einmalige seiner Zeichnungen und Drucke. Auch nach reichlich 500 Jahren verstehen wir ihn sofort, mit Freude … und Staunen, wie er mit wenigen Schnitten die Charakteristik eines Motivs wiedergibt. 

Albrecht Dürer
Kaiser Maximillian I. – Detailansicht
um 1519
© Staatliche Museen zu Berlin/
Foto: Michael Neubauer

Die ersten Schritte

Albrecht Dürer (1471-1528), zwar mit einer nur biederen Schulausbildung ausgerüstet, bot ihm seine reiche Geburtsstadt Nürnberg alle Möglichkeiten, sein Talent auszubilden. Handwerk, Handel, Buchdruck liessen die Reichsstadt erblühen. Nürnberg war bekannt weit über seine Grenzen. Zunftmeister, hervorragende Männer der einzelnen Gilden beförderten humanistisches Gedankengut, Nürnberg avancierte zum kulturellen Zentrum der Renaissance nördlich der Alpen. Wichtig für Dürers Entwicklung war die Bekanntschaft mit dem größten Druckunternehmer Europas, dem ehemaligen Goldschmied Anton Koberger (1440 – 1513). Nach 5 Jahren Lehre im Goldschmiedehandwerk bei seinem Vater wechselte der junge Dürer in eine Werkstatt für Buchillustration, zum Maler Michael Wohlgemut (1434 – 1519). 

 

Er hatte seine Aufgabe gefunden. 

Erste Zeichnungen, Holzschnitte für Bücher und ein erstes Selbstporträt (1491) entstanden. Ein grosser Entwicklungsschritt bedeutete seine Mitwirkung an dem erfolgreichsten Buch vor der Reformation, dem „Narrenschiff“ von Sebastin Brant (1458 – 1521). Ein Grossteil der Holzschnitte im Buch wurden von einem Baseler Schnittmeister gefertigt. Da Albrecht Dürer 1494 in Basel weilte, wird seine umfangreiche Mitwirkung vermutet. 

Nach 1495 beförderten zwei bedeutende Humanisten das Wirken Dürers, von 1495 bis 1502 Konrad Celtis (1459 – 1508),  für die nächsten 26 Jahre bis zu Dürers Tod Willibald Pirckheimer (1470 – 1530). Schnell umgab sich Albrecht Dürer mit den Bildungs- und Lebenszielen dieser vom Humanismus geprägten Männer, einer Hinwendung zur Kunst der Antike, der alten Griechen und Römer. Ausdruck war eine Reise Dürers 1495 nach Südtirol und Venedig. Das farbige Bild der „Burg und Stadt Arco“ (1495) berichtet davon. 

 

Albrecht Dürer erfährt Beachtung

1496 besuchte der sächsische Kurfürst Friedrich III. oder der Weise (1463 – 1525) Nürnberg. Welch Erfolg! Dürer wurde aufgefordert, ihn auf Leinwand zu porträtieren. Das Bild begründete bis zum Ableben des Kurfürsten 1525 einen jahrelangen Briefaustausch zwischen beiden.

 

„Die Apokalypse des Johannes“ von 1498 –
ein großes Thema des Neuen Testaments, dass sich der Christenverfolgung im Römischen Reich widmet.

 

 

Albrecht Dürer,
Die vier Reiter (Apokalypse),
um 1497/98, Holzschnitt,
© Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett /
Dietmar Katz 

 

DieApokalypse besteht aus 16 großformatigen Blättern, Blatt 3 zeigt den Holzschnitt „Die vier apokalyptischen Reiter“.

Kriege, Seuchen, Endzeit-Hysterie vor dem Jahr 1500, die innerkirchlichen Unruhen vor der Reformation schreckten die Menschen.
So schwingt der 2. Reiter von vorn eine Waage als Zeichen für Teuerung und Hungersnot, ganz vorn reitet der ausgemergelte Tod mit einem gefährlichen Dreizack drohend.  Vier Reiter stürmen in eine Richtung die verzweifelten Menschen nieder trampelnd. Auch ein Bischof links unten im Bild ist betroffen, währt sich gegen die als Ungeheuer personifizierte Hölle. Auch er wird es nicht schaffen, wie alle anderen, aufgerissen ist das Maul der Hölle. 

 

Die Zeit der Kupferstiche

Albrecht Dürer wurde immer bekannter, sein Selbstvertrauen wuchs, was sich in dem aufwendigen, glanzvollen Selbstbildnis von 1498 dokumentiert. Aber auch die Lust und der Mut zu neuen Techniken entwickelte sich: er stach nicht mehr nur in Holz, neuerdings auch ins Kupfer. 

 

 

Ein Beispiel für diese Technik ist das 33,5 x 26cm große Bild der „Nemesis“, der Rachegöttin, aus dem Jahr 1501. Göttin der Rache nannten sie vor allem diejenigen, die sich durch ihren gerechten Zorn benachteiligt fühlten. Kein Wunder, dass Nemesis mit dieser Bedeutung sehr modern geworden ist. Davon ahnte allerdings Albrecht Dürer noch nichts. 

 

 

 

Albrecht Dürer,
Nemesis (Das große Glück),
1501, Kupferstich, deckend bemalt,
© Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett /
Dietmar Katz 

Stolz präsentiert er eine geflügelte reife, schon etwas füllige, nackte Frau in seitlicher Ansicht in präzisen anatomischen Proportionen. Das Halfter in der linken Hand droht denjenigen, die das Recht auf ihrer Seite sehen, rechts reckt sie den Pokal für den Ehrlichen empor.
Wenig Sicherheit bietet ihr die Kugel, auf der sie steht, unsicher, wandelbar, wie das Glück. 

In der Ebene darunter plazierte Dürer eine detailliert ausgestaltete Landschaft, auf die man aus der Perspektive der fliegenden Göttin Nemesis herabschauen kann, es ist die Welt, die sie zu beurteilen hat. Aber die grob anmutende Colorierung des Bildes, stammt sie wirklich vom so diffizil genau arbeitenden Albrecht Dürer?

 

Albrecht Dürer und Jacopo de`Barbari

Im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts wirkte der Italiener Jacopo dè Barbari (1465 – 1526) als Hofmaler des Königs und späteren Kaisers Maximilian I. (1459 -1519) in Nürnberg, aber auch für den sächsischen Kurfürsten Friedrich III. in Wittenberg. In Nürnberg wetteiferten dè Barbari und Dürer um ähnliche Themen, zum Beispiel Tierdarstellungen. Zeugte Dürer einen mittlerweile weltberühmten „Feldhasen“ (1502), konterte der andere mit einem „Stillleben mit Rebhuhn und Eisenhandschuhen“ (1504).  Jacopo dè Barbari war der Hofmaler Maximillians I., das bekanntere Porträt des Kaisers schuf 1519 aber Albrecht Dürer. 

 

Die drei Meisterstiche von 1514

„Der Reiter“ (1513), „Hieronymus im Gehäuse“ (1514) und in der Ausstellung zu sehen „Melencolia I“(1514). Melencolia ist sein Hauptwerk, dass in seiner Aussage viele Rätsel aufgegeben hat. Minutiös sind die verschiedensten Gegenstände, ein schreibender Putto und eine bekränzte und geflügelte, imposante Figur in wallendem Kleid und kostbarem Gürtel dargestellt, Sie hält in der rechten Hand einen grossen Zirkel, schaut mit melancholischem Blick, den Kopf auf die linke Hand gestützt in eine unbestimmte Ferne.

Wie passt das alles zusammen, was sagt der Kupferstich aus?

Dürer  fordert die Betrachter auf, anhand der vielen dargestellten Dinge sich, ihr Leben und Dasein zu reflektieren, ein „Denkbild“ mit eingewebten Schicksalen und Erinnerungen für jeden, der es für sich enträtseln möchte.

 

 

 

Albrecht Dürer,
Melencolia I,
1514, Kupferstich,
© Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett /
Volker-H. Schneider 

  Huldigungen für den Kaiser Maximilian I.

Dürer trat zunehmend in den Dienst Maximilians. Zeugnis dafür, auch in der Ausstellung, ist die monumentale 3,41 x 2,92 m große „Ehrenpforte für Kaiser Maximillian I.“ von 1517/18. 

 

Albrecht Dürer
Die Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I.
1517/18 (2.Ausgabe 1559)
kolorierterb Riesenholzschnitt
341 x 292 cm
Wien, Albertina
© Staatliche Museen zu Berlin/
Foto: Michael Neubauer

Der kolorierte Riesenholzschnitt stellt einen Stammbaum des Hauses Habsburg dar, der, weil er alle Rechte auf Macht und Herrschaft den Habsburgern zuschreibt, einer wissenschaftlichen Geschichtsforschung aber leider nicht standhält. 

Dürers Kunst dagegen ist fabelhaft. 

Auch das letzte druckgrafische Werk Dürers, den achtteiligen Holzschnitt des „Triumphwagen Kaiser Maximilians“ von 1522 kann man in der aktuellen Ausstellung in einer Kopie bewundern. „Kaiser Maximilian war bereits verstorben als Albrecht Dürer einen Triumphwagen zur Ehrenpforte entwarf. Bild und Text gedenken der Tugenden des Kaisers und ergänzen das Herrscherlob der Ehrenpforte. … Bildprogramm und Legenden stammen von Dürers humanistischem Freund, dem Nürnberger Patrizier Willibald Pirckheimer

 

Albrecht Dürer und Werkstatt
Triumphwagen für Kaiser Maximilian I.
1522 – Detailansicht
Riesenholzschnitt von acht Druckstöcken
zweite deutschsprachige Ausgabe
© Staatliche Museen zu Berlin
Foto. Michael Neubauer

Eine Spurensuche im Kupferstichkabinett
12. Mai – 27. August 2023
Gemäldegalerie, Matthäikirchplatz, 10785 Berlin

Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag 10 – 18:00 Uhr
Montag geschlossen

Literatur:
Albrecht Dürer, Schriften und Briefe, Elvira Pradel, Reclam 1971
Albrecht Dürer, Thomas Schauerte, C.H.Beck, 2020
Pressemitteilung Staatliche Museen zu Berlin, 2023

 

Dürer für Berlin. Eine Spurensuche im Kupferstichkabinett, Titelbild des Ausstellungskatalogs, © Hatje Cantz-Verlag

Erscheint im Mai 2023, € 48,-