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Der Film »Schwesterlein« – Vorhang auf: Krebs, Familienwahnsinn & der letzte Akt

Vorhang auf: Krebs, Familienwahnsinn und der letzte Akt

Theater-Connoisseurs und -Liebhaber*innen aufgepasst: Nina Hoss und Lars Eidinger – zwei große Namen der Berliner Schaubühne – standen zum ersten Mal gemeinsam vor der Kamera und bringen mit »Schwesterlein« ab dem 29. Oktober 2020 ein gefühlvolles Familiendrama in die deutschen Kinos. Regie: Stéphanie Chuat und Véronique Reymond.

Lisa (Nina Hoss) ist eine starke Frau, die mehr aushält, als eigentlich für einen Menschen möglich zu sein scheint: Ein krebskranker Zwillingsbruder (Lars Eidinger), zwei junge Kinder, ein karrieresüchtiger Ehemann (Jens Albinus), der über ihren Kopf hinweg ihre gemeinsame Zukunft festlegt und eine selbstsüchtige Mutter (Marthe Keller), die zu sehr mit sich und dem Rauchen beschäftigt ist, als wirklich eine Hilfe in Familienangelegenheiten zu sein. Lediglich der immer wieder angebrannte Schokoladenkuchen scheint ein wenig Trost zu spenden. Nebenbei versucht sie, ihrem Beruf als Theaterautorin nachzugehen. Seit der Diagnose ihres Bruder Sven herrscht hier jedoch Stillstand, kein Wort hat sie seitdem mehr zu Papier gebracht. Außerdem ist sie ihrem Mann zuliebe in die Schweiz gezogen und fühlt sich dort seither gefangen, denn ihr Herz hängt an Berlin.

Wer die Schaubühne kennt und das Ensemble schon mal in der einen oder anderen Vorstellung gesehen hat, wird vielleicht zu Beginn etwas verdutzt sein. Das Berliner Theater, Intendant Thomas Ostermeier sowie andere Schauspieler*innen des Hauses und der berühmte Kassenschlager »Hamlet« werden mehr als einmal thematisiert und im Film gezeigt. Im Kern bleibt der Film trotzdem Fiktion.

Er zeigt einen emotionalen Auszug aus dem Leben der Zwillinge und ihrer Familie. Die nach außen hin nervenstarke, ruhige Lisa begleitet ihren Bruder auf seinem turbulenten Krankheitsweg: unzählige Krankenhaus-Besuche, eine Knochenmarkspende, Pflege in der Schweiz und und und. Sie hält an dem Glauben fest, dass sie gemeinsam die schwere Zeit überstehen und Sven wieder Theaterspielen kann – das ist seine große Leidenschaft, die sein Leben lebenswert macht. Sven möchte am liebsten schon jetzt wieder zurück und den Hamlet zum Besten geben. Für den Regisseur jedoch ein zu großes Wagnis, das er einzugehen nicht bereit ist. Lisa kämpft und streitet in vielerlei Hinsicht, behält dabei stets die totale Beherrschung und schluckt herunter, bis sie – zu Recht – irgendwann explodiert.

Hals über Kopf fängt Lisa wieder an zu schreiben. Sie erarbeitet einen Monolog zwischen Schwester und Bruder, inspiriert vom Märchen Hänsel und Gretel und erfüllt Sven damit seinen großen (letzten) Wunsch. Das Grande Finale, Ende und Anfang zugleich.

»Die Kinder wollen spielen.« Das ist es, was für die beiden Theatermenschen zählt. Fällt das weg, erübrigt sich der Rest und wird bedeutungslos…

Der Film glänzt vor allem durch die starke Darbietung von Nina Hoss, mit der man von der ersten Minute an mitgeht. Daneben ein zerbrechlicher Lars Eidinger, ein immer anstrengender werdender Jens Albinus und eine völlig durchgedrehte Marthe Keller vervollständigen das unbequeme, emotionenüberschäumende Gesamtgefüge, das kontinuierlich von den Klängen klassischer Musik untermalt wird.