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„Bernini, der Papst und der Tod“

Gian Lorenzo Bernini, Totenkopf, 1655© SKD, Foto: Oliver Killig

Staatliche Kunstsammlungen Dresden
im Zwinger – Alte Meister
28 Mai bis 5. September 2021 

Als Kardinal Fabio Chigi (1599 – 1667) am 7. April 1655 mit 63 Stimmen der anwesenden 64 Kardinäle zum Papst Alexander VII. gewählt wurde, bestellte er bereits am 3.Tag seiner neuen Amtszeit den zu diesem Zeitpunkt schon sehr berühmten, fast gleichaltrigen Bildhauer Gian Lorenzo Bernini (1598 – 1680) zu sich und erteilte ihm den Auftrag, einen Totenkopf für ihn zu formen.

Warum das?

Der 56jährige Papst war ein erfahrener Mann. Schon bald nach dem Studium der Philosophie und Theologie in Siena wurde er stellvertretender Gesandter des Heiligen Stuhls in Ferrara, Inquisitor in Malta, Botschafter des Heiligen Stuhls in Köln und nahm an den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden 1648 in Münster für die katholische Seite teil. 1652 bekam er die Kardinalsweihe und wurde Kardinalstaatssekretär in Rom.

Christen glauben an Jesus von Nazareth, an seinen Tod und die Auferstehung.  Der Tod in seiner religiösen Bedeutung war für die Menschen im 17. Jahrhundert viel unmittelbarer als heute. Den Tod in sein Denken und Leben einzubeziehen gepaart mit einem gottgefälligen Leben konnte ihm seine dämonische Macht nehmen, erinnerte andererseits daran, das irdische Leben als endlich anzuerkennen und es entsprechend zu nutzen. Das fühlte auch der Mensch Fabio Chigi und umgab sich mit Dingen, die ihn jederzeit an den Tod erinnerten: unter dem Bett ein Sarg, er trank aus einer Silbertasse, in deren Grund eine Figur des Todes gemeißelt war… und auf seinem Schreibtisch sollte ein Totenkopf mahnen. Ein Totenkopf aus Carrara-Marmor, dem besten! Das konnte nur einer schaffen, dieses spröde Material mit Hammer und Meisel bändigen, der Meister Gian Lorenzo Bernini.

Guido Ubaldo Abbatini, Papst Alexander VII. mit Berninis Totenkopf, 1655/56Öl auf Leinwand
© Kunstsammlung des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens, Rom (Sovereign Order of Malta – Grand Magistry), Foto: Nicusor Floroaica

Papst und Meister kannten sich und fast war der Totenkopf Anlass für eine Freundschaft, die durch den genialen Künstler und den kunstliebenden Papst in Rom barocke Wunder entstehen ließen. Bernini prägte mit seinen Gebäuden und Brunnenanlagen das Erscheinungsbild dieser Stadt nachhaltig, seine privaten, öffentlichen und sakralen Skulpturen wurden zum Inbegriff der Epoche des Barock. Die im Auftrag Papst Alexander VII. 1656 von Bernini begonnene endgültige Gestaltung des Petersplatzes ist vielleicht das bedeutendste Beispiel für das großartige, ja pompöse Raumgefühl architektonischer Gestaltung in der Zeit des Barock.

Giovanni Ranzoni und François Collignon, Berninis Plan für den Petersplatz in Rom, 1663Radierung und Kupferstich
© Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Andreas Diesend

Papst Alexander VII. ernannte seinen Neffen Flavio Chigi zum Kardinal, der im heutigen Palazzo Odescalchi eine große Antikensammlung unterhielt.  1728 beauftragte August der Starke (1670 – 1733) seinen Agenten Baron Raymond Le Plat diese „Sammlung Chigi“ zu kaufen, 164 antike Skulpturen und 4 zeitgenössische Werke, eines davon war Berninis Totenschädel, der im Schloß Pillnitz aufbewahrt, als „nicht antik“ in Vergessenheit geriet und für die Kunstwelt als verschollen galt. Dank der großen Caravaggio-Ausstellung im vergangenen Jahr in Dresden, für die man eine zum Barock passende „Empfangsskulptur“ suchte, den Totenschädel fand, war die Überraschung groß und der Nachweis, ein Kunstwerk Berninis zu besitzen, sensationell.

Der in weißem Carrara-Marmor geschaffene Totenschädel ist ein Wunderwerk. Trotz des schwierigen Materials hat Bernini einen anatomiegerechten menschlichen Schädel nachgebildet mit allen seinen Foramina, seinem Knochengerüst, den anliegenden Suturen und zarten Wandungen im Nasenbereich.

Ein absolutes Muss, dieses Kunstwerk mit der Ausstellung „Bernini, der Papst und der Tod“ der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Gian Lorenzo Bernini, Totenkopf, 1655© SKD, Foto: Oliver Killig

Der Tod spielte nicht nur im Denken der Menschen des 17. Jahrhunderts eine große Rolle, sondern ganz konkret wurde Europa nach 1652 von der Pest heimgesucht. Entschlossenes Handeln des Papstes Alexander VII., das unseren derzeitigen Pandemie-Maßnahmen sehr ähnelte, half, die Sterblichkeit in Rom (14 000) im Vergleich zu Neapel (100 000) oder London (80 000) in Grenzen zu halten. Auch ein Thema der Ausstellung!

Gaspare Morone nach einem Entwurf von Bernini, Medaille für Papst Alexander VII., die auf dem Revers die Vertreibung der Pest aus Rom darstellt, 1657Bronze, © Münzkabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Hans-Peter Klut

Und zum Schluss begrüßt uns noch eine Skulptur von Balthasar Permoser (1651 – 1732), ein quirliges, weinendes Kind.

Papst Alexander VII. hatte noch einen zweiten Neffen, Agostino Chigi. Für ihn wurde 1661 eine Kopie des Totenschädels gefertigt, allerdings gemeinsam mit einem auf einem gewellten Tuch liegenden „bambino piccolo“, denn, neben dem Tod entsteht auch immer wieder neues Leben. Schön, dass auch uns Balthasar Permoser mit dieser frohen, optimistischen Skulptur und diesen Gedanken aus der fabelhaften Ausstellung entlässt.

Als besondere Leihgabe kommt aus dem Besitz des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens in Rom ein Porträt Alexanders VII. es zeigt ihn mit Berninis Totenkopf in der Hand. Dieses Bild wurde von dem Schüler Berninis, Guido U. Abbatini, gemalt, der 1656 an der Pest verstarb.

Zur Ausstellung erscheint ein reich illustrierter Katalog im Sandstein Verlag, Herausgeber: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Stephan Koja, Claudia Kryza-Gersch; 144 Seiten, 134 meist farbige Abb., ISBN 978-3-95498-615-6, 19,80 €.

Das Museum öffnet derzeit:
Freitag bis Sonntag 10 – 17 Uhr

Eintritt 14,- €

Achtung: Hygieneregeln beachten!

Alles weitere zu erfahren unter
https://shop.skd.museum/
https://www.skd.museum/besuch/