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Ausstellung »Saul Leiter. David Lynch. Helmut Newton: Nudes«

Passend zum sisterMAG Jahr der Kunst gibt es neue Ausstellungsberichte von unserem Kultur-Redakteur Michael Neubauer. Die erste Ausstellung findet im Museum für Fotografie in der Helmut Newton Stiftung statt und ist das erste Mal in der Geschichte der Stiftung, dass eine Ausstellung ausschließlich dem Genre Akt / Nudes gewidmet wird.

Es ist das Besondere dieser Ausstellung. Sie widmet sich nur einem Thema, der nackten fotografischen Darstellung der Frau. Das ist auch ein Novum für die Helmut Newton Stiftung im Museum für Fotografie in der Berliner Jebensstraße. Begeistert und angeregt von den ungewöhnlichen Bildern David Lynchs zu diesem Genre kuratierte der Leiter der Stiftung Matthias Harder eine sehenswerte Schau mit Werken von drei Fotografen der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts:

Saul LEITER

David LYNCH

Helmut NEWTON

Ein mutiges Projekt des Ausstellungsmachers, zumal sich die veränderte gesellschaftliche Wahrnehmung und Einstellung zu dem Thema heute durch Diskussionen um Gender, Sexismus, MeToo, die Stellung der Frau in der Gesellschaft manifestiert.

»Nudes« ist eine Ausstellung, die den jahrhundertealten Wunsch von Künstlern, den schönen, wohlgeformten, sinnlichen, oft glorifizierten, aber nie vollständig begriffenen weiblichen Körper  vollendet darzustellen, in fotografischer Weise zeigt. Große Teile der Weltliteratur, der klassischen Musik, der Opernwelt, Werke eines Peter Paul Rubens, eines Gustav Klimts oder Pablo Picassos drehen sich darum. Nehmen wir es als das, was es ist, eine Hommage an die Frau.

Saul Leiter
Untitled (Dottie, nude), New York, c. 1958
© Saul Leiter Foundation, courtesy
Howard Greenberg Gallery, large

Der Amerikaner SAUL LEITER (1923 – 2013) kam über die Malerei zur Fotografie. Mit Werken in schwarz/weiß gestartet, fanden bald farbige Bilder Anerkennung im New Yorker »Museum of  Modern Art«. Saul Leiter avancierte für viele Jahre zum Modefotograf, u.a. für die »Harper`s Bazar«, »Elle« und »Vogue«. Viel beachtet wurden Fotografien, die er aufgrund seines Maltalents mit den verschiedensten Farben und Techniken überarbeitete. Ein Großteil der ausgestellten Werke sind kleinformatig, intim entstanden in seiner privaten Umgebung, zum großen Teil mit Freundinnen, Geliebten, Frauen seines Lebens. Deshalb wurden sie auch erst nach seinem Tod der Öffentlichkeit bekannt, u.a. durch die Publikation »In My Room« (Steidl-Verlag). Man kann gerahmte Bild“geschichten“ bewundern, aber auch von ihm fragmentierte Bildschnipsel, die die geliebten Gesichter in komplexer, feinsinniger Weise darstellen.

Saul Leiter
Fay smoking (nude), New York, c. 1946
© Saul Leiter Foundation,
courtesy Howard Greenberg Gallery

In einem Interview mit der »Süddeutschen Zeitung – SZ.de« vom 06.10.2008 sagte DAVID LYNCH (*1946) auf die Frage, wie er zu seinen Intuitionen käme:

„Sie müssen nur offen sein, warten können. Mit Ideen ist es wie mit den Frauen. Sie begegnen so vielen auf der Straße, und dann plötzlich gehen Sie um die Ecke und da steht sie – boom.“
Süddeutschen Zeitung – SZ.de vom 06.10.2008

David Lynch
Untitled, Lodz, 2000s
© David Lynch

Eine Idee, eine Assoziation braucht der in Los Angeles lebende Künstler immer, gleich ob er einen Film produziert, schauspielert, Regie führt, malt oder eben fotografiert. Ideen aus mystisch fremden Welten münden in surrealistischen Darstellungen, sei es im Film oder in der Fotografie. Die für Matthias Harder inspirierende Buchpublikation »Nudes« (Verlag der Pariser Foundation Cartier, 2017) untermalt dieses Herangehen. Großformatig stellen sich diese »Ideen« in der Ausstellung als nackte Körperteile einer Frau dar, die durch die besonderen fotografischen Einstellungen zu außergewöhnlichen Bildern führen. Die Größe der Details, die Nähe rotgefärbter Lippen, die Unschärfe tangential getroffener Glieder, die Hälfte einer Hand auf der weichen Oberschenkelhaut reizen den Betrachter zum Verweilen, zum Sinnen, zum gedanklichen Fühlen.

David Lynch
Untitled, Los Angeles, 1990s
© David Lynch

HELMUT NEWTON (1920 – 2004), in Berlin als Sohn jüdischer Eltern geboren, floh als junger Mann vor den Nazis nach Australien, wo er sich den Namen »Newton« zulegte. Nach dem Krieg konnte er sich als Modefotograf der großen internationalen Modezeitschriften etablieren und wurde als fotografischer Porträtist berühmter Künstler seiner Zeit umworben. In den 1970er Jahren begann er mit der Aktfotografie, die er zum Entsetzen des saturierten Establishments vor allem mit der Modefotografie verknüpfte. Diese Serie »Naked and Dressed« und der Fotoband »Big Nudes« katapultierten ihn zur Nummer eins unter seinen Kollegen, aber auch zur Zielscheibe sich provoziert gefühlter Stimmen. Sein Thema, die Verbindung von Sex und Macht zeigen unnahbare, selbstbewusste, dominante Frauen mit einer klaren erotischen Ausstrahlung. Für seine Kompositionen gewann Helmut Newton regelmäßig wohlgeformte, gut gewachsene Modelle, deren Ästhetik eine zwar distanzierte, aber große Wirkung erzeugt. Die Ausstellung zeigt Beispiele aller Schaffensperioden, vor allem bisher ungezeigte Werke aus dem Stiftungsarchiv.

Helmut Newton
Bergstrom over Paris, Paris, 1976
© Helmut Newton Estate

Die sehr umfangreiche Ausstellung »Nudes« zeigt hervorragend die große Breite der körperlichen Frauendarstellung von den 40iger Jahren des letzten Jahrhunderts bis in die 2000er Jahre. Drei große Fotografen stellen ihre Art der Aktfotografie vor. Alle Bilder gemeinsam teilen uns mit, wie frei und zum großen Teil positiv die Gesellschaft vor 40, 50 Jahren auf diese Kunstform reagiert hat.

01.12.2018 – 19.05.2019

Helmut Newton Stiftung
Museum für Fotografie
Jebensstraße 2, 10623 Berlin

Di, Mi, Fr bis So 11 bis 19:00 Uhr
Do 11 bis 20 Uhr

Weitere Informationen finden sie unter Museum für Fotografie oder Helmut Newton Stiftung.

Als Inspiration für eine weitere Ausstellung in Berlin, die noch bis Anfang März läuft, gibt es hier den Bericht zur Ausstellung »The Demon’s Brain« von Agniezska Polska im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin.